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Weichmacher-Grenzwerte, Verbote und Alternativen

Was sind die wichtigsten gesetzlichen Regelungen bezüglich der Verwendung von Weichmachern?

Besonders für die Gruppe der Phthalate gibt es inzwischen diverse gesetzliche Verbote. Österreich war am 1. Januar 1999 das erste Land, welches Weich-PVC mit Palatalen in Spielzeug für Kinder unter 3 Jahre untersagt hatte.(54) Im Dezember 1999 - und damit erst ein knappes Jahr später - hatte die Europäische Union mit der Richtlinie 1999/815/EG bei Spielzeug, das dazu bestimmt ist, von Kindern unter drei Jahren in den Mund genommen zu werden, ein zunächst temporäres Verbot der Weichmacher DEHP, DINP, DBP, DIDP, DNOP und BBP festgelegt.(55) Im Rahmen des Vorsorgeprinzips wurde diese Weisung immer weiter verlängert, bis schließlich die neue Richtlinie 2005/84/EG in Kraft trat.(56) Laut dieser Maßgabe vom Dezember 2005 sind die Weichmacher DEHP, BBP und DBP in der gesamten Europäischen Union in Babyartikeln - definiert als Produkte, die dazu bestimmt sind, "den Schlaf, die Entspannung, das Füttern und das Saugen von Kindern zu erleichtern" - verboten.(57)

Zudem untersagt die Richtlinie weitestgehend die Verwendung von DINP, DIDP und DNOP bei Spielzeugen und Babyartikeln, welche dazu geeignet sind, von Kindern in den Mund genommen zu werden.(58) Alle drei Phthalate , dürfen "nicht als Stoffe oder als Bestandteile von Zubereitungen in Konzentrationen von mehr als 0,1 Massenprozent des weichmacherhaltigen Materials in Spielzeug und Babyartikeln verwendet werden".(59) Hierbei handelt es sich aber nur um ein Verbot von Gegenständen, die für Kinder unter drei Jahren bestimmt sind und von diesen in den Mund genommen werden. Auch für Kosmetika - einschließlich Nagellacken - dürfen DEHP, DBP und BBP europaweit laut der Richtlinie 2004/93/EG nicht mehr verwendet werden.(60) Gemäß den Verordnungen Nr. 552/2009 und Nr. 1907/2006 der EU-Kommission dürfen DEHP, DBP , BBP, DIDP und DINP bei fetthaltigen Lebensmitteln nicht mehr in Materialien und Gegenständen aus Kunststoff, die bestimmungsgemäß mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, sowie nicht länger in Einwegdeckeln und Verpackungen verwendet werden. Insbesondere hat die Europäische Union untersagt, dass die genannten Phthalate in Lebensmittelkontaktmaterialien für Säuglings- oder Folgenahrung enthalten sind. Außerdem wurden nicht nur für viele Phthalate, sondern auch für andere Weichmacher spezifische Migrationsgrenzwerte festgesetzt. Diese geben an, welche Menge des Weichmachungsmittels höchstens in ein Lebensmittel eindringen darf. Diese sind bei ESBO und ATBC mit 300 Milligramm pro Kilogramm bei fettfreien und 60 Milligramm pro Kilogramm bei allen anderen Lebensmitteln erheblich großzügiger als bei Phthalaten. Zusätzlich gilt speziell für ESBO noch ein Limit von 30 Milligramm pro Kilogramm bei Säuglings- und Kleinkindernahrung. Mit einem allgemeinen Grenzwert von 18 Milligramm pro Kilogramm bei allen Lebensmitteln wird DEHA noch strenger beurteilt.(61) Per Gesetz wurden zudem in den letzten Jahren verschiedene Höchstwerte für die erlaubte Konzentration vieler Weichmachern gesenkt. So reduzierte die Europäische Union etwa im Juli 1995 die Höchstdosis für DBP auf 10 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Zuvor hatte der sogenannte TDI-Wert ("tolerable daily intake") zehnmal höher gelegen.

Dass solche Richtwerte aber mit Vorsicht zu genießen sind und teilweise für Verwirrungen sorgen, soll am Beispiel des DEHP illustriert werden. Während die US-Umweltschutzbehörde Enviromental Protection Agency seit 1999 die Aufnahme von DEHP auf 20 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag begrenzt sehen möchte, hielt das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung die 2,5-fache Menge für akzeptabel. Uneinigkeit gab es sogar innerhalb der Europäischen Union: Während der Wissenschaftliche Ausschuss für Nahrungsmittel ebenfalls 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag für tolerierbar hielt, setzte der Ausschuss für Toxizität, Ökotoxizität und Umwelt der Europäischen Kommission 1998 einen TDI-Wert von nur 37 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag fest.(63) Immerhin geben die Werte - trotz der Schwankungsbreite - eine gewisse Orientierung. Gemäß der EU-Richtlinie 67/548 muss DEHP ab einem Anteil von 0,5 Prozent in einer chemischen Zubereitung durch den Hinweis "giftig" und ein Totenkopfsymbol gekennzeichnet werden. Problematisch ist, dass diese Kennzeichnungspflicht allerdings nicht für Artikel des täglichen Gebrauchs gilt.(64) Trotzdem wird von Teilen der Industrie immer noch propagiert, dass es - laut der Beurteilung der Europäischen Union - kein generelles Gesundheitsrisiko durch DEHP gäbe.(65) Inzwischen müssen auch DBP, BBP und DBIP mit dem Hinweis "giftig" versehen werden. DEHP, BBP und DBP sind mittlerweile in einem aktuellen Entwurf der EU-Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (RL 2002/95/EG RoHS) Teil der angestrebten Verbotsliste.(66) Außerdem befindet sich DEHP - wiederum zusammen mit BBP und DBP - seit Oktober 2008 auf der Kandidatenliste der europäischen Chemikalienagentur für besonders besorgniserregende Stoffe (REACH-Kandidatenliste).(67) Unlängst wurde auch DBIP hier aufgenommen.(68) Zudem steht DINP auf der sogenannten SIN-Kandidatenliste. Auf dieser sind Chemikalien aufgeführt, weil sie die REACH-Kriterien für besonders besorgniserregende Stoffe erfüllen, aber bisher noch nicht Teil der REACH-Kandidatenliste sind.(69) Bei Bisphenol-A ist oder war die internationale Gesetzeslage sehr heterogen, was die teils kontroversen Diskussionen um diesen Stoff widerspiegelt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hielt beispielsweise bis zum Jahr 2006 einen Grenzwert für Bisphenol-A von 0,01 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag angemessen. Allerdings wurde dieser Grenzwert im Januar 2007 um das Fünffache erhöht. Kanada hingegen stufte den Stoff als gesundheitsschädlich ein und untersagte 2008 die Verwendung von Bisphenol-A in Trinkflaschen für Babys komplett. In Deutschland hat das Umweltbundesamt eine entsprechende Empfehlung abgegeben und zudem zur Entfernung von Bisphenol-A aus Lebensmitteldosen geraten. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung hat sich dieser Position allerdings nicht angeschlossen. 2010 verbot auch Frankreich Bisphenol-A in Trinkflaschen für Babys.(70) Mittlerweile befindet sich auch diese Chemikalie auf der SIN-Kandidatenliste. Ab Frühling 2011 soll zudem europaweit die Verwendung von Bisphenol-A in Trinkflaschen für Babys verboten werden.(71)

Inwiefern trägt die Industrie den gesetzlichen Regelungen und Testergebnissen bezüglich Weichmachern Rechnung?

Da der Zusatz von Weichmachern für viele Produkte die Gebrauchstüchtigkeit bedeutend verbessert oder sogar erst ermöglicht, ist ein simples Weglassen von Weichmachungsmitteln in der Regel nicht praktikabel. Das wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass - laut einem Text der Arbeitsgemeinschaft Umwelt und PVC e. V. aus dem Jahr 2006 - 80 bis 90% des globalen Verbrauchs an Weichmachern dem eigentlich spröden und brüchigen PVC zugesetzt werden.(72) In den letzten Jahren wurden einige der als bedenklich oder sogar gesundheitsgefährdend eingestuften Weichmachungsmittel - zumindest teilweise - durch andere Weichmacher ersetzt. So hat etwa die europäische Kunststoffindustrie den DEHP-Anteil beim Verbrauch von Weichmachern zwischen 1999 und 2004 von 42 auf 22 Prozent reduziert. Dafür hat sich beispielsweise der Anteil von DINP/DIDP im gleichen Zeitraum von 35 auf 58 Prozent erhöht.(73) Weitere Substitutionsprozesse wurden in jüngerer Zeit durch Neuentwicklungen der chemischen Industrie ermöglicht. Eine besondere Bedeutung haben hier die so genannten Alkylsulfonate erlangt, die schon seit geraumer Zeit als unbedenklich gelten. Zu dieser Gruppe gehört das vom Chemie-Riesen Bayer entwickelte Mesamoll(R). Genau wie das von BASF produzierte Hexamoll(R) dient es als Alternative für Phthalate im Allgemeinen und DEHP im Speziellen. So vermarktet BASF Hexamoll(R) unter der Markenbezeichnung Hexamoll(R) DINCH für alle Anwendungen, die "als besonders sensibel bezüglich der toxikologischen Eigenschaften gelten."(74) Beide Weichmacher wurden zu einer Erfolgsgeschichte, da sie herkömmlichen Weichmachungsmittel auch in anderen Bereichen überlegen sind. So verleiht etwa Mesamoll(R) PVC - im Vergleich zu vielen anderen Weichmachern - eine besonders hohe Licht- und Witterungsbeständigkeit. BASF hat sogar die Produktion von DEHP in Europa bereits Ende des Jahres 2005 zugunsten von Hexamoll(R) komplett eingestellt. Hexamoll(R) wird als Alternative zu herkömmlichen Weichmachern sogar vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlen. Zudem liegt seit 2006 ein positiver Bescheid der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit vor. (75) Im Rahmen einer durch das Bundesamt für Risikobewertung und das Umweltbundesamt initiierten Initiative haben sich acht Fachverbände seit dem Jahr 1997 verpflichtet, DBIP in Papier, Pappe und Karton zu reduzieren.(76) Auch einzelne Unternehmen aus verschiedenen Industriezweigen haben reagiert. So setzt etwa die Pharmafirma Astellas Pharma für Venostasin Retardkapseln nicht mehr den bedenklichen Weichmacher DBP, sondern inzwischen ein unproblematischeres Citrat, ein.(77) "Do You Football" - ein Produzent von Fußballtrikots - hat sogar angekündigt hat, künftig dahingehend auf Beflocker Einfluss zu nehmen, dass diese nicht nur auf Phthalate, sondern auch auf Weichmacher verzichten.


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